Samstag, 9. Februar 2013

Dracula, Pforzheim

Endlich hat mein Musicaljahr 2013 begonnen. Am Samstag ging es ab in den Süden - genauer gesagt nach Pforzheim, wo derzeit ein Hauch von Transilvanien in der Luft liegt.



Um den Mythos "Dracula" ranken sich viele Geschichten. Die wohl Bekannteste Version ist der Briefroman von Bram Stoker, an dem sich auch das Musical aus der Feder von Frank Wildhorn orientiert.

Der Immobilienmakler Jonathan Harker wird auf das Schloss des Grafen Dracula bestellt, um diesem ein Anwesen in London zu vermitteln. Schon bald bereut er es, diese Reise angetreten zu haben, denn Dracula ist ein sehr seltsamer Mann und im Schloss spielen sich unheimliche Dinge ab. Als Dracula ein Bild von Jonathans Verlobter Mina Murray sieht, erkennt er in Ihr seine Seelenverwandte und beschließt in England Verbindung mit ihr aufzunehmen. Schon bald erliegt erst Minas beste Freundin Lucy und bald auch Mina selbst den Kräften und der Verführungskunst des Grafen aus Transilvanien. Die Geschehnisse rufen den Vampirjäger van Helsing auf den Plan, der versucht die beiden Frauen zusammen mit Jonathan und Lucys ehemaligen Verehrern aus den Fängen des Vampirs zu befreien.
Collage gefunden über Google :)
Das Wildhorn Stück wurde 2004/2005 am Broadway gespielt. 2005 gab es die erste deutschsprachige Premiere in St. Gallen in der Schweiz. 2007 kam das Stück nach Österreich, wo es in Graz in einer Neuübersetzung gespielt wurde. Diese Version mit Thomas Borchert als "Dracula" und Uwe Kröger als "Van Helsing" ist vermutlich die Bekanntere, da es von dieser Show auch eine CD-Aufnahme gibt. In Pforzheim wird das Stück jedoch in der Übersetzung aus St. Gallen gespielt. Wenn man die Grazer CD oft und gerne gehört hat, irritieren die "unbekannten" Texte ein wenig. Trotzdem verlieren die Lieder dadurch weder an Stärke noch an Aussagekraft und gefielen mir nach ein wenig Eingewöhnung ebenfalls sehr gut. 
 

In der Musik erkennt man die Handschrift des Komponisten natürlich direkt wieder. Wie schon bei anderen Stücken aus seiner Feder, schafft Wildhorn auch bei Dracula Ohrwurm um Ohrwurm, fängt mit seinen Melodien eine Vielzahl von Gefühlen ein und macht das Stück dadurch abwechslungsreich. Es gibt rührende Herzschmerz-Balladen, lustig-beschwingte Lieder, Kampfansagen, manchmal gruselt man sich gar ein wenig (und das ist durchaus positiv gemeint). Wer es nicht nach Pforzheim schafft und die Musik noch nicht kennt, dem kann man die CD bedenkenlos ans Herz legen. Wie schon bei "Jekyll & Hyde" oder dem "Graf von Monte Christo" zeigt Wildhorn auch hier, dass er sein Handwerk versteht.





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Musikalisch wird das Stück in Pforzheim durch erstklassige Hauptdarsteller abgerundet. Hier liegen die Stärken der Pforzheimer Inszenierung. Beim Bühnenbild müssen im direkten Vergleich ein paar Abstriche gemacht werden. Doch für eine Stadttheater-Aufführung ist die Kulisse solide gestaltet und wird dem Stück durchaus gerecht.
Mit schönen Ideen und Effekten wird das Bühnenbild zudem aufgewertet. Zum Beispiel werden auf einer Leinwand im Hintergrund hin und wieder Wellen oder Wolken projeziert. Dracula klettert an überdimensionalen Spinnweben hinauf, oder schwebt (durch ein Seil gesichert) auf die Bühne. Besonders gefallen hat mir eine Szene in der Tänzer im Dunkel und Nebel wie Fledermäuse kopfüber von der Decke hängen. An Nebel wurde insgesamt wenig gespart. Der Geruch nervt auf Dauer ein wenig, dafür sieht die neblige Bühne toll aus!
 

Was ich aber eigentlich sagen will: Es lebe das Stadttheater! Wie ich in den letzten Jahren immer wieder feststellen durfte, haben grade die Stadttheater im Bereich Musical viel zu bieten. Wer meint, in Deutschland gäbe es nur eine Hand voll Musicals und die auch nur in großen Städten wie Hamburg oder Berlin, dem kann ich (Gott sei Dank) sagen, dass er irrt! Natürlich sind die Großproduktionen wie "Tanz der Vampire" sehenswert, aber niemand sollte jammern, wenn ihm das Kleingeld für Städtetrips in den Norden oder Osten der Republik fehlt und sich über das Programm umliegender Theater informieren. Das lohnt sich - wie auch hier - wirklich sehr!
Denn auch bei den Darstellern werden kleine Produktionen jenseits der Long-Run Stücke immer beliebter. Deshalb findet man auch in Städten wie Bielefeld, Kassel, Nordhausen oder -in diesem Fall- Pforzheim große Namen auf der Cast-Liste.
Unabhängig davon, dass ich das Stück unbedingt mal Live auf der Bühne sehen wollte, haben mich im Falle "Dracula" unter anderem die Darsteller gereizt.


Als Mina Harker steht in Pforzheim die wundervolle Femke Soetenga auf der Bühne, die vielen Musicalgängern aus Tecklenburg (3 Musketiere, Jesus Christ Superstar) oder Stuttgart (Rebecca) in guter Erinnerung ist.



Ich glaube, dieses Bild vom Schlussapplaus sagt in Punkto Ausstrahlung mehr als tausend Worte. Gleichzeitig hat Femke eine großartige Stimme von der man sich in diesem Musical mehr als einmal überzeugen kann. Aber nicht nur stimmlich passt sie in die Rolle - auch darstellerisch kann sie als Mina glänzen. Ob lebenslustig, verliebt oder von Dracula verführt und verzweifelt - Femke verleiht Mina genau das richtige Gesicht. Wie schon zwei Sommer lang in Tecklenburg, hat sie mich auch hier wieder bis ins Detail von sich überzeugt.

Ihren Bühnenpartner Chris Murray als Dracula, habe ich das erste Mal live auf der Musical-Bühne gesehen. Von seiner Gesangsstärke konnte ich mich allerdings früher schon bei Konzerten überzeugen.



Hui... Was für ein Wahnsinns-Organ! Zu Beginn des Stücks hab ich das Orchester als unheimlich laut empfunden. Die Mikros der Darsteller waren vergleichsweise leise eingestellt. Einen Herrn Murray scheint das wenig zu jucken. Der singt einfach etwas lauter und bräuchte vermutlich überhaupt kein Mikro um auch noch in der letzten Reihe im Saal zu hören zu sein. Und auch während seiner Kletteraktionen bleibt die Stimme genauso laut und ausdrucksstark. Toll!

Im Gegensatz dazu blieb Thomas Christ als Jonathan Harker an diesem Abend ein wenig blass. Allerdings muss man dazu sagen, dass Thomas trotz schwerem grippalem Infekt tapfer, aber doch recht angeschlagen auf der Bühne stand. Ich denke, wenn er fit und gesund ist, klingt er ganz anders. Man hörte, dass auch er eigentlich ein sehr guter Sänger ist, dies aber aus oben genannten Gründen nur bedingt zeigen konnte. 

Die Inszenierung stellt Jonathan etwas bieder dar - nachdem Dracula sich durch Jonathans Blut verjüngt, altert dieser im Gegenzug stark. Das hat mir optisch nicht so gut gefallen, denn er verlor dadurch zusätzlich an Bühnenpräsenz.
Auch Lucys Verehrer Dr. Jack Seward, Quincy Morris und Arthur Holmwood wirkten auf mich einen Tick zu steif. Grade bei Liedern wie "Eh du verloren bist" (Sorry, ich kenne nur die Grazer Titel) hätte ich mir etwas mehr Feuer gewünscht. Trotzdem haben alle einen guten Job gemacht.
 

Richtig gut gefallen haben mir hingegen Lucy (Yvonne Luithlen), Van Helsing (Jon Geoffrey Godsworthy) und Renfield (Timo Päch), die mich sowohl darstellerisch als auch gesanglich überzeugt haben.



Und hier schließt sich der Kreis. Tolle Darsteller und eine insgesamt gute Inszenierung in Verbindung mit großartiger Musik machen Dracula zu einem absolut empfehlenswerten Stück.
Auch das Theater selbst macht direkt Lust darauf wieder zu kommen. Die Reihen sind allesamt ansteigend, so dass man nicht nur in der ersten Reihe keine störenden Köpfe im Blickfeld hat. Der Saal hat eine angenehme größe. Ich vermute, dass man von allen Plätzen relativ gut auf die Bühne gucken kann. Auch der Eintrittspreis verlockt dazu Wiederholungstäter zu werden. So kostet die erste Preiskategorie nicht mal 30 €. Da lohnt es sich auch mal ein, zwei Kilometer mehr in Richtung Süden zu fahren.




Ich glaube, man hört, dass das Publikum einen tollen Abend hatte :)


Mit vielen Ohrwürmern im Gepäck, jeder Menge Spaß vor-, nach- und während des Stückes, konnte ich auf der Rückfahrt nach Hause nur zu einem Fazit kommen: Das Theater-Jahr 2013 hat mit einem sehens- und hörenswerten Musical begonnen.




4 Kommentare:

  1. Danke für den schönen Bericht :)
    Ich kann dir eigentlich nur in allen Punkten voll und ganz zustimmen!
    Dass Thomas nicht so überzeugt hat, lag mit ziemlicher Sicherheit daran, dass er angeschlagen war - ich fand ihn an beiden Abenden, die ich da war, super! Vermutlich fällt es bei der Qualität der Darsteller einfach mehr auf, wenn einer mal nicht auf der Höhe ist ;)

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  2. Hallo,
    da stimme ich dir im Bezug auf Thomas Christ voll und ganz zu. Ich hab ja auch extra dazu geschrieben, dass er gesundheitlich angeschlagen war. Man hörte das leider sehr - aber Hut ab, dass er trotzdem gespielt hat. Ich hab ihn bisher nie live gesehen, deshalb ist es schwer nach diesem Abend ein Urteil abzugeben. Ich glaube schon, dass er stimmlich eigentlich viel stärker ist. Schade fand ich aber, dass auch die Rolle "Jonathan Harker" nicht ganz so präsent inszeniert wurde. Das ist ebenfalls nicht seine Schuld, aber allein schon das Kostüm wirkte fade. Aus dieser Figur hätte man mehr rausholen sollen.
    Das ist aber nur ein klitzekleiner Kritikpunkt im Bezug auf die Inszenierung, die mir insgesamt wirklich gut gefallen hat! :)

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  3. Hey,
    ich fand die Idee mit Jonathan's grauen Haaren ganz gut, aber ansonsten stimm ich dir zu - die Rolle geht etwas unter.
    Schade fand ich auch, dass "Roseanne" fehlt, ich denk mit dem Lied versteht man van Helsing besser, bzw. warum er so besonders hinter Dracula her ist.
    Aber gut - beschweren kann man sich über die Inszenierung nicht wirklich, sonst wär ich nicht zweimal da gewesen. Würd ich nicht umziehen, wär sicher auch ein drittes Mal drin *hust* ;)

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  4. ich glaube, ich spare mir das bloggen zu dracula. es wird klingen, als hätte ich bei dir abgeschrieben :)

    ich bin in allen punkten deiner meinung, in der beurteilung der darsteller, dass das orchester zu laut, der geruch des nebels unangenehm und die szene mit den kopfüber von decke hängenden tänzern ziemlich beeindruckend war. und ich war in den ersten szenen im schloss echt froh, dass da ein orchestergraben zwischen mir und chris war ;)

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