Sonntag, 9. September 2012

Die Päpstin, Hameln 2012

Nach der Premiere 2011 in Fulda, hatte ich nun erstmals wieder die Gelegenheit mir das Stück noch mal ansehen zu können. 

Diesmal ging es nach Hameln und nicht nur der Standort war anders. Die Grundgeschichte ist natürlich gleich geblieben (insoweit verweise ich auf meinen früheren Blog) --> *klick*

Für die Wiederaufnahme des Erfolgsstück wurden einige kleinere Änderungen vorgenommen. Rausgenommen wurde z.B. die Figur der "Heiligen Katharina", die in der Ursprungsfassung Johanna stark inspiriert und beeinflusst hat und die, ebenso wie die heidnischen Rabengestalten ihre schützende Hand über sie legte.
Außerdem wird Johannas ältere Bruder Matthias nicht mehr erwähnt. In der Ursprungsfassung hieß es, er habe ihr das Lesen und Schreiben beigebracht. Er selbst war jedoch schon vor Beginn der (Musical)Geschichte verstorben, deshalb empfinde ich die jetzige Fassung weniger kompliziert und gradliniger. Johanna erklärt, sie habe sich das Lesen und Schreiben selber angeeignet in dem sie heimlich den Unterricht ihres Bruders Johannes belauschte.


Die Umsetzung von "Wehrlos" ist in der neuen Fassung ein bisschen weniger "Wicked" als zuvor. Will sagen, Johanna und Gerold knien nicht mehr zusammen auf dem Boden, sondern stehen jeweils auf der rechten bzw. linken Bühnenhälfte und nähern sich nur langsam, während der Waldvorhang bereits nach den ersten Takten der Musik runterfährt. Dadurch erinnert die Szene nicht mehr so stark an "Solang ich dich hab", ist aber leider auch viel weniger romantisch. Ehrlichgesagt, hat mir hier die alte Fassung besser gefallen, aber das ist sicherlich Geschmackssache.
Wie schon in meinem ersten Bericht erwähnt, geht Vieles ein bisschen schnell... Besonders Johannas Verhaftung und anschließende Wahl zum Papst passieren praktisch in einem Atemzug.
Nachdem Johanna den Papstthron bestiegen hat, gerät sie mit ihrem Widersacher Anastasius um die Zukunft des Waisenhauses aneinander. Hier wurde ein Reprise vom Titel "Parasit der Macht" eingefügt. Das Lied passt sehr gut zur Szene, die dadurch eindeutig an Stärke gewinnt. Das tut dem Stück allgemein gut, da das eingefügte Lied Johannas "Amtszeit" verlängert und die Überstürzung der Ereignisse ein wenig bremst.
Tina Haas (Ensemble), Sophie Berner (Johanna)
In Hameln ist die Bühne ein bisschen kleiner als im Schlosstheater Fulda, doch fällt das kaum auf. Ich zumindest hab mich daran nicht gestört, aber vielleicht fehlt mir da auch der direkte Vergleich. Die Kulisse ist jedenfalls in ihrer Wandelbarkeit und durch die vielen tollen Licht- und Nebeleffekte überwältigend. Für eine verhältnismäßig kleine Produkiton ist dies nicht selbstverständlich und beeindruckt sehr. Das einzige was noch zum perfekten Musical-Erlebnis fehlen könnte, wäre ein Live-Orchester, aber lassen wir die Diskussion darum - besonders, weil die Cast kaum Wünsche offen lässt!

Da ich mit dem Blogschreiben derzeit kaum nachkomme, war ich inzwischen drei mal in Hameln und neben der Hauptbesetzung auch alternierende Darsteller in einigen Rollen sehen können. An dieser Stelle werde ich deshalb nicht nur auf die First-Cast eingehen.

Beim ersten Besuch in Hameln konnte ich mich von Sophie Berners Qualitäten als Johanna begeistern lassen. Sie ist die alternierende Päpstin und hat mich von Anfang bis Ende restlos überzeugt. Sophie spielt ausdrucksstark und ihre volle, dunkle Stimme geht einem direkt unter die Haut. Ich kannte sie von einem Konzert im letzten Jahr und hatte mich ganz bewußt dafür entschieden sie mir in dem Stück anzusehen. Eine gute Entscheidung! Sie braucht den Vergleich mit Sabrina Weckerlin nicht zu scheuen, bringt viel Eigenes in die Rolle ein und weiß auf ihre ganz persönliche Art zu fesseln. Etwas irritierend war jedoch, dass der Prolog am Anfang vom Band kam. Denn da war eindeutig Sabrinas Stimme zu hören. Doch zurück zu Sophie. Ich war derart geflashed von ihrer Interpretation der Rolle und ihrer Stimme, dass ich sie mir zwei Wochen später nochmal angucken "musste". Mit dem Ergebnis, dass ich die ganze Show mit Gänsehaut, feuchten Augen und Atemnot wortwörtlich zu kämpfen hatte. Ein Wechselbad der Gefühle und eine Art Achterbahnfahrt, die zweieinhalb Stunden dauerte. Ich sag euch: Danach ist man fertig mit der Welt :-)
Schlussapplaus 25.08.2012 - Matinee

Auch Sabrina Weckerlin hat mir wieder gewohnt gut gefallen. Leider waren die "äußeren Umstände" bei der Show, die ich mit ihr gesehen habe nicht so optimal - An dieser Stelle sei erwähnt, dass es ziemlich ernüchtert, wenn man auf einem PK 1 Platz (seitlich) so enorme Sichteinschränkungen hat, dass man nur 2/3 der Bühne sehen kann. Die Karten sind zu teuer, als dass man dafür Verständnis aufbringen kann. Dafür können die Darsteller nichts, nur konnte ich mich aus Ärger darüber nicht so richtig in die Geschichte fallen lassen. Doch natürlich steht ganz außer Frage, dass Sabrina die Rolle der Päpstin auf den Leib geschneidert ist und sie diese mit Energie und Bühnenpräsenz verkörpert.

In meinen ersten beiden Shows in Hameln spielte Mara Dorn die Mutter und später die Marioza. In der dritten Show hatte ich Tina Haas in diesen Rollen.
Boten der Nacht ist jedesmal ein Gänsehauthighlight für mich, denn die mystische Atmosphäre, die Lichteffekte und die Rabengestalten ziehen mich unweigerlich in ihren Bann. Beide Darstellerinnen haben mir als Mutter gut gefallen und die Szene als solches hat mich wieder einmal bis in innerste berührt. Verdammt - ich werde immer Heulattacken anfälliger :) Als Marioza hat mir Tina ehrlichgesagt besser gefallen. Zwar wirkte sie verhältnismäßig jung in dieser Rolle, doch hat man ihr die intregante Bordellbesitzerin trotzdem in jeder Sekunde abgenommen. Gesanglich war ich von ihr total überrascht. Sie hatte bei Full Monty in Dortmund den 12-jährigen Sohn von Jerry Lukowski gespielt und so gut wie gar nicht gesungen. Diesmal konnte sie eindrucksvoll unter Beweis stellen was sie drauf hat. Sie beherrscht Körper und Stimme und hat mich auf ganzer Linie überzeugt.
Sophie Berner, Tina Haas, Claus Dam, Lutz Standop
Als Johannas Lehrer und Mentor Aeskulapius hatte ich zwei Herren, die unterschiedlicher nicht sein könnten. In meiner ersten Show in Hameln spielte Dennis Henschel die Rolle. Im Prinzip ist er 40 Jahre zu jung und doch ist er kein schlechter Aeskulapius. Mit grau gefärbten Haaren lässt sich das Publikum (zumindest in Reihe 7) täuschen und auch gesanglich hat er mir ganz gut gefallen. Doch ehrlichgesagt: Kein Vergleich zu Claus Dam, der von Natur aus alles ausstrahlt, was ein Aeskulapius haben muss. Würde, Wissen, väterliche Zuneigung und Wärme... Ich kann mir niemanden vorstellen, der perfekter für diese Rolle geeignet wäre. Besonders ergriffen hat mich sein tränenersticktes Loblied auf Päpstin Johanna nachdem sie bei der Prozession tot zusammengebrochen war.

Anastasius: Entgegen allen Unkenrufen haben mir sowohl Sascha Kurth als auch Hauptbesetzung Lutz Standop in der Rolle des fiesen Gegenspieler Johannas ziemlich gut gefallen. Sascha könnte vielleicht noch einen Tacken Hinterlistigkeit drauf legen. Lutz erinnert rollengerecht an eine Ratte, die man am liebsten aus Hameln hinausflöten möchte. Wenn man die Rolle des Fieslings inne hat, dann kann man stolz drauf sein, wenn das Publikum so empfindet. Alles richtig gemacht!

Beeindruckend spielt auch Kristian Vetter, der gleich zwei Rollen verkörpert. Als Vater von Johanna ist er beängstigend und jähzornig, so dass einem selbst im Publikum angst und bange wird - während er als Papst Sergius vorallem seine humorige Seite zeigen kann. Gesanglich immer ein Gewinn. Ich hab mich gefreut ihn mal wieder auf der Bühne sehen und hören zu können!

Auch die weiteren Rollen waren sind wieder gut besetzt und viele Gesichter erkennt man aus der vorangegangenden Spielzeit wieder, trotzdem will ich jetzt nicht auf jeden einzeln eingehen, da das den Bericht vermutlich sprengen würde.

Hier deshalb in aller Kürze:
Gerold - Mathias Edenborn
Arsenius - Leon van Leeuwenberg/Andrea M. Pagani
Rabanus/Fulgentius - Dietmar Ziegler
Lothar/Thomas - Marcus G. Kulp
Richhild - Nadja Weise

So langsam möchte ich nämlich zum Ende und damit zu meinem Fazit kommen. Das fällt ein bisschen anders aus, als ich es zunächst erwartet habe. Ich mochte das Stück von Anfang an ganz gerne, hatte aber bei der Show in Fulda 2011 nicht das Gefühl, dass es ein Stück mit Suchtgefahr werden könnte. Doch mit jedem weiteren Besuch wurde ich mehr in den Bann der Produktion gezogen. Besonders nach meiner letzten Audienz und der damit verbundenen Achterbahnfahrt  - auf der ich emotional bis an meine Grenzen durchgerüttelt wurde - steht für mich fest: Dieses Musical muss man gesehen haben. 2013 wird es wieder mindestens für 1 Monat in Fulda aufgeführt. Lasst euch also die Gelegenheit nicht entgehen. Ich hab schon ein imaginäres Kreuzchen in meinen Kalender gemacht. Ich bin tatsächlich ein bisschen verliebt!