Sonntag, 16. Dezember 2012

Rocky, Hamburg (Matinee)

Ich gebe zu, als ich das erste Mal von "Rocky - Das Musical" hörte, hab ich das Ganze für den größten Witz gehalten. Sylvester Stallone und die Klitschkos lassen einen Boxer singen? Was soll das denn? Wer will das? Wer braucht das?



Dann wurde die Cast bekannt gegeben und erste Songs und Bilder tauchten auf. Langsam aber sicher wirkte das Projekt immer weniger lächerlich und machte sogar neugierig. Nach der Premiere überschlugen sich die positiven Kritiken. Vielleicht passen Boxen und Musiktheater ja doch ganz gut zusammen?!

Das Musical basiert auf dem gleichnamigen Film von und mit Sylvester Stallone. Ich hab ihn mir bewusst vorher nicht angesehen und bin auch ganz froh, dass ich unvoreingenommen im Theater saß, keine Vergleiche ziehen musste und mich ganz neu auf alles einlassen konnte.
Die Geschichte beginnt Ende 1975 in Philadephia. Rocky Balboa ist 29 und es sieht so aus, als würde aus seiner Karriere als Boxer nichts mehr. Er hält sich mehr schlecht als recht mit Gelgenheitskämpfen in heruntergekommenen Boxschuppen und als Geldeintreiber für einen Typen namens Gazzo über Wasser. Auch in der Liebe scheint er einen aussichtslosen Kampf zu bestreiten. Denn Adrian, die er schon seit der Schulzeit liebt, ist zu schüchtern um mit ihm auszgehen. Doch so leicht gibt er nicht auf und mit viel Geduld gelingt es ihm sie für sich zu gewinnen.


 Youtube Kanal: UnitedMusicals

Unverhofft bietet sich die Gelegenheit den Boxkampf seines Lebens zu bestreiten. Der amtierende Weltmeister will gegen einen Underdog boxen und wählt Rocky für diesen Showkampf aus. Alle sind sich einig, dass er in der ersten Runde K.O. gehen wird. Doch er will sich nicht zum Gespött der Massen machen und trainiert hart. Sein Ziel ist es die vollen 15 Runden durchzuhalten und am Ende als würdiger Gegner erhobenen Hauptes aus dem Ring zu gehen.
 

Sylvester Stallone hat mit diesem Stoff in den 70er Jahren Filmgeschichte geschrieben und auch das Musical scheint ein riesiger Erfolg zu werden.  Und das zu Recht!

Es ist die Geschichte eines einfachen Mannes der sich -im wahrsten Sinne des Wortes- durchboxen muss. Rocky ist nicht besonders hübsch und es gibt ganz sicher hellere Kerzen im Leuchter. Das Schöne ist - er ist sich dessen bewußt und grade das macht ihn so sympathisch und glaubwürdig!

Drew Sarich ist wunderbar in dieser Rolle. Er spielt Rocky genau auf den Punkt. Mit dem Kopf ist es nicht so weit her, aber er ist ein durch und durch liebenswerter Kerl mit dem Herz am richtigen Fleck. Die Rolle verlangt eher darstellerisch und athletisch Höchstleistungen, gesanglich kann Drew nur bedingt zeigen was er tatsächlich drauf hat. Die Lieder sind insgesamt gesehen eher "kleine Liedchen", die die Handlung und die Charaktere untermalen sollen. Ich finde aber, dass sich die Musik sehr gut in das Stück einfügt. Würde Rocky große Arien schmettern, würde das einfach nicht zu ihm passen. Viele Texte sind eher zum schmunzeln und machen Rocky noch liebenswerter. Vielleicht sollte man die CD nicht unbedingt nach dem ersten hören beurteilen. Die Lieder machen viel mehr her, wenn man sie in Verbindung mit dem Stück sieht.

Auch Adrian wurden ihre Lieder auf den Rollen-Leib geschneidert. Durch Rocky entwickelt sie sich vom schüchternen Mauerblümchen zur selbstbewussten Frau, die auch mal das Wort gegen ihren teilweise tyrannischen Bruder erhebt. Die Entwicklung zeigt sich auch in ihren Liedern: Am Anfang klingt sie sehr melancholisch und einsam "Wenn es weiter regnet", während sie nachher bei "Vorbei" aus vollem Halse ihre Wut hinaus schmettert. Wietske van Tongeren kann hier einige Facetten präsentieren und ist phantastisch in dieser Rolle (wie eigentlich in jeder Rolle, in der ich sie bisher gesehen habe). Irgendwas hat sie in der Stimme und in ihrem Blick, das einem die Haut mitunter komplett mit Gänsehaut überzieht.


Photo: Stage Entertainment/Morris Mac Matzen
Die weiteren Rollen sind ebenfalls durchweg sehr gut besetzt. Aber das Stück lebt eindeutig von den beiden Hauptdarstellern und da kann man sich wirklich keine Besseren wünschen! Ich glaube, Drew Sarich und Wietske van Tongeren hätten mich nicht mehr umhauen könne, wenn sie mit Boxhandschuhen auf mich eingeschlagen hätten.

Bühnentechnisch ist das Musical vorallem beim Boxkampf am Ende ein riesen Spektakel. Sicher haben die meisten schon davon gehört. Bucht man "Golden Circle" - das sind die Plätze in der Mitte im vorderen Bereich, wird man vor dem Kampf vom Ringsprecher aufgefordert neue Plätze hinter dem Ring einzunehmen. Dieser wird dann in den Zuschauerraum verlagert, so dass eine "echte" Boxkampf-Arena entsteht. Das Ganze wird gut in die Handlung einbezogen. Danach laufen dann die Boxer ein. Man hat wirklich das Gefühl bei einem richtigen Boxkampf dabei zu sein.


Photo: Stage Entertainment/TicketOnline
Leider gab es in unserer Show technische Schwierigkeiten und zwischen dem Einlauf von Rocky und dem von Apollo gab es eine Unterbrechung. Ungünstiger hätte die Technik nicht schlappmachen können. Denn eigentlich war das Publikum grade so richtig in Stimmung. Und ich glaube, wenn alles reibungslos geklappt hätte, hätte der Saal richtig gekocht. Auch wenn die Stimmung sehr schnell nach "Wiederanpfiff" erneut grandios war. Denn grade als Publikum im vorderen Teil fühlt man sich als wär man selbst in der Show dabei! Der Kampf selber wirkt auf faszinierende Weise verdammt echt. Blut und Schweiß und fliegende Fäuste. Mehr als einmal musste ich den Atem anhalten. Ich hab mich bisher eigentlich nie fürs Boxen interessiert, aber das war schon ein echt geniales Spektakel!
Und auch sonst bin ich vom Bühnenbild mehr als begeistert. Beim Kulissenbau wurde viel Wert auf Authenzität gelegt. Rocky lebt in ärmlichen Verhältnissen im Philadelphia der 70er Jahre. Seine Bude, der Boxschuppen, wo er "keinen Spint" hat, der Schlachthof wo sein Freund Paulie arbeitet (kein Bühnenbild für Vegetarierer^^), Adrians Zoohandlung, alles ist sehr hübsch runtergekommen und toll gemacht! Hin und wieder wird mit Videokulisse gearbeitet, aber nie ist es "too much" - Soll heißen. Die Kulisse ist effektvoll ohne den Zuschauer zu erschlagen! Ich finde, die Bühnenbildner haben ganze Arbeit geleistet und auch optisch ein grandioses Musical auf die Bühne gezaubert. Ich mag die pompösen Kulissen à la Wicked oder Phantom der Oper, aber diese "aufwendig einfache Realtität" war total passend und stimmig!

Obwohl mein Erwartungsbarometer -seit der umjubelten Premiere- doch deutlich nach nach oben gestiegen ist, bin ich überrascht wie kurzweilig die Show ist, wieviel Spaß ich dabei hatte und wie begeistert ich am Ende war. Und nicht nur ich. Der fast ausverkaufte Saal ging bei jeder Szene mit. Es gab viel Zwischenapplaus, es wurde gelacht und auch mal dazwischengerufen. Ich kanns nicht anders sagen: Rocky ROCKT!
Ich würde es mir jederzeit gerne nochmal anschauen (Sponsoren melden sich bitte unter.... - nee, war nur ein Scherz...). Leider sind die gepfefferten Preise für gute Plätze schon etwas abschreckend. Trotzdem kann ich dieses Musical absolut empfehlen!


PS:
Das Tui Operettenhaus hat einen ziemlich großen PK 1 Bereich, der sogar vom sogennanten Golden Circle preislich noch getoppt wird. Auch wenn Rocky Balboa nicht viel Geld hat - Wer Rocky sehen will muss tief in die Tasche greifen! Das schien aber zumindest in der Sonntagsmatinee kaum jemanden abgehalten zu haben. Ehrlich - So ausgebucht hab ich ein Stagetheater nur bei Dernieren gesehen. Die freien Plätze konnte man höchstens an zwei Händen abzählen!
Wir saßen in der 10 Reihe ganz rechts. Vom Blickwinkel her hätte es gerne noch etwas mittiger sein dürfen, aber grundsätzlich war die Sicht auch von der Seite wirklich gut. Allerdings ist der Zuschauerraum so flach wie Holland. Ich hatte noch Glück, weil ich zwischen zwei Köpfen durchgucken konnte und so ca. 95 % der Bühne problemlos sehen konnte, ohne wie ein Boxer immer von links nach rechts tänzeln zu müssen. Aber wenn man Pech hat helfen nur Kindersitzkissen?! Ich verstehe manchmal nicht so richtig, was sich Theatererbauer eigentlich bei solchen Zuschauerräumen danken. Da lob ich mir die "neue Flora" und hoffe, dass im neuen Theater, was derzeit im Hamburger Hafen gebaut wird diesmal alles richtig gemacht wird.

5 Kommentare:

  1. Was für ein genialer Bericht!! Danke, jetzt bin ich endgültig davon überzeugt, dass ich mir "Rocky" auch bald anschauen muss. Ich habe - Surprise, Surprise - ursprünglich genau das Gleiche über die vermeintlich schwachsinnige Idee gedacht, Rocky auf die Musicalbühne zu bringen.

    Als dann die Cast bekannt gegeben wurde (Drew! Wietske!) hab ich gedacht: Muss ich dann doch dringend sehen... Und owbohl dein Bericht mir Lust gemacht hat, sofort nach HH zu fahren, warte ich dann doch lieber noch auf Rabatte. ;-)

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  2. Ich würde auch wirklich gerne nochmal rein gehen, ich fürchte nur, dass man noch relativ lange auf Rabatte warten muss. So ausverkauft, wie es derzeit ist.
    Ich finde es erstaunlich, auch wenn es mich natürlich freut. Es ist immer schöner in einem gut ausgelasteten Theater zu sitzen. Sowohl für die Darsteller als auch für das "Gemeinschaftserlebnis" und die Stimmung! Aber ich fürchte, wenn die Zuschauer bereit sind die Preise zu zahlen, rücken Preisnachlässe in weite Ferne :-/ Außerdem würde ich -auch wenns teurer ist- auf jedenfall zu Plätzen im vorderen Bereich raten. Muss ja nicht gleich Golden Circle sein, aber hinten ist mit Sicherheit wirklich weit hinten.
    Immerhin hatte ich das Gefühl, dass man für sein Geld zumindest einiges geboten bekommt (trotz technischer Schwierigkeiten). Bei Stücken wie "Dirty Dancing" oder "Hinterm Horizont (auch wenn ich es mag), sehe ich das deutlich weniger ein den Stage-Vollpreis zu bezahlen.

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  3. ich bin so froh, dass du's mochtest :)
    es hätte mich zwar auch nicht abgehalten, wenn dein urteil anders ausgefallen wäre, aber nach dem tollen bericht freu ich mich noch mehr drauf!

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  4. Hast du schon einen Termin?
    Wie gesagt: Ich rate dazu vorher nicht unbedingt den Film zu gucken und die CD ist auch eher was für nachher :)

    Määh... ich will nochmal^^ Und ausnahmsweise will ich mal nicht "Darsteller sammeln" - Drew und Wietske sind so toll zusammen :)

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  5. Ich glaube so gings allen beim ersten und zweiten Überlegen ob das denn eine gute Idee sei - aber Rocky funktioniert auch als Musical. Für mich war es vor allem der beste Musicalbesuch mit meiner Frau zusammen. Wir hatten beide viel zu gucken, sie noch etwas mehr ;-), die Musik ist gut und vor allem die Bühnenbilder und deren Wechsel fanden wir sehr sehr gut. Da es bei großen Produktionen wie Rocky auch immer Änderungen gibt, würden wir gerne nochmal hin, mal schauen.. Wer hingeht: Viel Spaß! Und die Plätze gut aussuchen, nicht zu weit weg, die Bühnenbilder sind toll, v.a. Adrians Tiergeschäft. Viele Grüße..

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