Freitag, 24. Februar 2012

Miss Saigon, Utrecht (Holland)

Auch wenn dieser Blog jetzt natürlich von der aktuellen Inszenierung handeln soll, muss ich doch erstmal kurz zurück schauen: Ok, kurz ist ein auf 15 JAHRE dehnbarer Begriff, denn solange ist es her, seit ich Miss Saigon gesehen habe. Mein erstes Musical!!
Die Qualität der deutschen Aufnahme mag man beurteilen wie man will - damals hab ich sie rauf und runter gehört. Viel Herzschmerz und Dramatik - dazu tolle Songs... Kein Zweifel - ich wollte das Stück unbedingt sehen und hab dafür sogar die lange Fahrt nach Stuttgart in Kauf genommen.
Ehrlichgesagt hat sich an dieser Situation in all den Jahren nicht viel geändert. Denn danach war ich infiziert. Leider hat es wirklich und wahrhaftig bis 2012 gedauert, dass ich die Gelegenheit bekam es nochmal zu sehen - In Holland!


Aber was wenn sich der Zauber von 1997 nicht mehr einstellen würde, wenn die Inszenierung nicht gut wäre, die Cast oder wenn ich das Niederländische nicht mögen würde... Zweifel waren da, trotzdem stieg die Aufregung und vorallem die Vorfreude je näher ich dem Theater kam!

Die Geschichte:
Da das Stück - wie gesagt - seit Jahren nicht mehr in Deutschland läuft ist es wohl diesmal besonders wichtig kurz zu beschreiben um was es eigentlich geht.

Die Geschichte beginnt 1975 in Saigon während des Vietnamkrieges. Die 17-jährige Kim hat ihre Familie verloren und muss in einem Nachtclub für Soldaten tanzen. Dort lernt sie Chris kennen, einen amerikanischen GI, der im Grunde die Nase voll hat - von Vietnam, von den Bars und auch davon, dass John, sein Kumpel ihm dringend eine Frau kaufen will... Doch es kommt natürlich was kommen muss: Chris und Kim verlieben sich in einander. Leider ist das Glück nur von kurzer Dauer. Die politische Lage in Vietnam spitzt sich zu und der Vietcong erobert das Land. Chris muss fliehen während Kim und "der Chef im Ring" (der einstige Clubbesitzer) ums Überleben kämpfen müssen.
1978 ist das Land in fester Hand der militärischen Eroberer. Kim hat einen Sohn von Chris bekommen und lebt in bitterer Armut. Ihre einzige Hoffnung ist, dass Chris zurück kommt und sie rettet. Dieser hat lange versucht sie ausfindig zu machen, doch als alle Hoffnung vergebens scheint, beginnt er in den USA ein neues Leben und heiratet Ellen.
John arbeitet inzwischen für eine Organisation die sich um die "Bui Doi" - die Mischlingskinder kümmert. Er findet heraus, dass auch Chris ein Kind in Vietnam hat und das Kim zusammen mit dem Chef im Ring nach Bankok fliehen konnte.
Zusammen mit Ellen reisen sie dorthin. Kims Träume von einer gemeinsamen Zukunft mit Chris zerplatzen, als sie im Hotelzimmer auf Chris Frau trifft. Doch sie hofft, dass zumindest ihr Sohn, für den sie durch die Hölle gegangen ist, eine Zukunft in Amerika hat. Doch dafür muss sie eine folgenschwere Entscheidung treffen... Um ihrem Kind ein besseres Leben bieten zu können beschließt sie sich selber zu erschießen.

Es ist eine Geschichte, die an Dramatik kaum zu übertreffen ist und unter die Haut geht. Mich hat es vor 15 Jahren gepackt und jetzt wieder! Das Musical-Genre ist unglaublich vielfältig - Das ist es was ich besonders liebe! Da sind die Spaß-Musicals, die eine permanent grinsen lassen. Da sind die Rock-Musicals, die einen aus den Sitzen katapultieren und da sind Shows wie diese, wo sich Gänsehaut und feuchte Augen permanent abwechseln. Miss Saigon ist ein sehr emotionales, teils trauriges, teils ergreifendes Musical, das einen mitunter fassungslos zurück lässt. Es gibt eine Szene, in der Kims Sohn Tam von dem Mann bedroht wird, dem sie als Kind versprochen war (Thuy). Er will sie zwingen ihr "Bastard-Kind" zu töten und zückt am Ende selbst das Messer. Kim ist verzweifelt und erschießt ihn um ihren Sohn zu retten. Danach bricht sie verzweifelt über der Leiche zusammen. Diese Szene hat bei mir regelrecht Herzrasen ausgelöst. Man ist für 3 Stunden in einer anderen Welt gefangen und einiges geht einem noch Stunden danach sehr nah!

Die Musik:
Unterstützt wird dieses Phänomen auch durch die Musik. Miss Saigon ist ein nahezu durchkomponiertes Stück. Das heißt es gibt so gut wie keine gesprochenen Dialoge. Das meiste wird gesungen und viele musikalische Themen werden immer wieder aufgegriffen. Um es an einem Beispiel deutlich zu machen: Als Chris und Kim sich kennen lernen erzählt sie ihm ihre Geschichte: Wie sie fliehen musste und ihre Familie bei der Flucht ums Leben kam und dass sie lieber sterben würde als zurück zu blicken: "I have had my fill of pain - I will not look back again - I would rather die". Kurz vor ihrem Selbstmord wird dieses Thema wieder aufgegriffen und das Orchester spielt wieder die Melodie dieser Stelle. Durch die Wiederholungen bestimmter "Themen" wird immer wieder die jeweilige Szene auf der Bühne unterstrichen und man kann schon von der musikalischen Untermalung her ableiten was grade genau in der Person vorgeht. Mich fasziniert das sehr. Deshalb finde ich es sehr schade, dass es z.B. keine Gesamtaufnahme in deutscher Sprache gibt. Nur anhand der "Highlights-CD" lässt sich vieles gar nicht so erfassen. Natürlich sind die Hauptsongs das Kernstück, aber es lohnt sehr, sich näher mit der Komposition zu beschäftigen. Ich würde jedem zur Londoner Doppel-CD mit der wundervollen Lea Salonga raten.

Das Stück in niederländischer Sprache zu sehen, hat für mich jedoch nichts von der oben beschriebenen Faszination geändert. In Kombination mit sehr ausdruckstarken Darstellern war die Handlung sehr gut zu vestehen. Ich glaube, sie hätten auch vietnamesisch singen können und trotzdem wäre allein durch Gesang und Spiel rüber gekommen was vorgeht. Natürlich ist die niederländische Sprache für deutsche Ohren ungewohnt. Da ich aber als großer Fan holländischer Produkitonen schon ein bißchen mit dem Klang vertraut bin, hat es mir überhaupt nicht gestört und ich habe sogar erstaunlich viel verstanden.

Die Darsteller:
Besonders leicht hat es einem aber auch die unglaublich starke Besetzung gemacht.


Besonders Na-Young Jeon als Kim hat mir unfassbar gut gefallen. Meine Ohren sind von Lea Salonga  verwöhnt und ich hatte schon ein bißchen angst, dass ich zu kritisch mit jeder anderen Kim sein würde. Doch meine Bedenken haben sich in kürzester Zeit in Luft aufgelöst. Na-Young Jeon hat eine sehr klare, wunderschöne Stimme und singt und spielt mit soviel Leidenschaft, dass mir abwechselnd heiß und kalt wurde. Sie war für mich das Highlight meines Holland-Wochenendes und hat mich total berührt.

Quelle: www.cultuurbewust.nl
Chris wurde an diesem Abend von der Zweitbesetzung Roy Kullick gespielt. Ich habe keinen Vergleich zur Erstbesetzung, aber Roy hat mir sehr gut gefallen. Als er raus kam hatte ich das Gefühl, dass er unheimlich jung ist. Der Schein aus Reihe 14 trug ein bißchen, denn Roy hat schon bei "Les Miserabeles" in Duisburg (lang ists her) mitgespielt. Wie dem auch sei, er war ein toller Chris und hat mich in der Rolle überzeugt.

Als "Regelaar" (Chef im Ring) stand ein holländischer Musical-Megastar auf der Bühne: Stanley Burleson, der schon in vielen großen Stücken zu sehen war (z.B. als Kardinal in den Drei Musketieren). Ich denke, vom Bekanntheitsgrad ist er wohl ungefähr mit Uwe Kröger in Deutschland vergleichbar (auch wenn sonst kaum Ähnlichkeiten bestehen). Stanley Burleson hat mir unglaublich gut gefallen. Ich kannte ihn unter anderem von der Musketier DVD und konnte ihn mir überhaupt nicht als Vietnamesen vorstellen. Eigentlich finde ich es etwas merkwürdig, dass man diese Rolle oft mit Europäern/Amerikanern besetzt. Aber meine Sorge diesbezüglich war unbegründet: Stanley hat eine fantastische Show abgeliefert und eindrucksvoll bewiesen wie wandelbar er ist. Er hat den korrupten, aber irgendwie doch sympathischen Überlebenskünstler überraschend glaubhaft dargestellt. Ob in Lumpen oder in Schlaghosen er war immer ganz "der Chef" selbst und hat dafür gesorgt, dass man auch mal schmunzeln oder lachen konnte.

John (Edwin Jonkers) und Thuy (Kok Hwa Lie) waren glänzend besetzte Nebenrollen und auch Ellen (Anouk Maas) hat mir ganz gut gefallen. Leider wurde Ellens Solo Lied "Her or me" durch eine Neukomposition ersetzt. Nicht, dass mir "Toch nog" nicht gefallen hätte, doch bin ich so sehr an das "Original" gewöhnt, dass mir das neue Lied wie ein Fremdkörper erschien. Außerdem war "Her or me" immer eins meiner Lieblingslieder und so finde ich es wirklich schade, dass es ersetzt wurde. 

Bevor ich jetzt langsam zum Ende komme, möchte ich noch kurz auf die Kulisse eingehen. Im Gegensatz zu Stuttgart gab es keinen echten Helikopter, sondern "nur" eine Videoprojektion. 

Quelle: www.cultuurbewust.nl
Ich kann dazu nur sagen: Ist mir sowas von wurscht! Die Szene hat dadurch nichts an Kraft verloren. Die Kulisse ist insgesamt sehr stimmig und gut gemacht. Ich war sehr zufrieden!

Fazit:
Miss Saigon - mein allererstes Musical - wieder gesehen zu haben war für mich ein ganz besonderes Highlight. Das Stück hat in all den Jahren nichts an Stärke eingebüßt - im Gegenteil. Es hat mich wieder bis ins Mark berührt und ich bin nicht verwundert, dass dieses Stück zu den Gründen gehört, warum ich dem Musical verfallen bin. Ein toller Abend, eine grandiose Cast und ganz viel Gänsehaut! Es hat sich gelohnt!

3 Kommentare:

  1. Damit du auch noch etwas zum Lesen hast: Ich freue mich auf unseren multikulturellen Ausflug nach Saigon mit Zwischenstop in Utrecht...

    AntwortenLöschen
  2. "Miss Saigon" war auch mein allererstes Musical - 1995. Zufälligerweise habe ich gerade heute die CD mal wieder angehört (hab sie auf englisch).
    Hach, ich hoffe, dass es irgendwann auch nochmal in Deutschland läuft!

    AntwortenLöschen
  3. Das hoffe ich auch. Es wird mal wieder Zeit!

    AntwortenLöschen