Freitag, 14. Oktober 2011

Chess, Bielefeld

Das Theater in Bielefeld hat mich schon mehrfach durch großartig besetzte Stücke und tolle Shows begeistert - So ließ ich mir natürlich die Bielefelder Inszenierung von Chess auch nicht entgehen. Am Freitag hieß es also "Schwarz gegen Weiß". Also vorab - ich kannte das Stück von den Abba Herren Benny Andersson und Björn Ulvaeus, bis auf 2-3 Lieder nicht.

Deshalb nun erstmal kurz zur Story:
In den Wirren des "Kalten Krieges" zwischen den USA und den UDSSR findet im italienischen Meran die Schachweltmeisterschaft statt. Amtierender Weltmeister ist der arrogante, selbstherrliche, aber innerlich höchst unsichere Amerikaner Frederick Trumper. Gegen ihn tritt der zurückhaltende, ruhige Russe Anatoly Sergievski an. Die beiden Männer sind tatsächlich wie Schwarz und Weiß und das Duell ist nicht nur für den Schachsport von Brisanz. Natürlich schauen auch die Obersten der verfeindeten Nationen auf den Ausgang des Turniers und versuchen auf die ein oder andere Weise einzugreifen.
Zwischen den Stühlen befindet sich die Ungarin Florence Vassey. Sie ist zu Beginn mit Frederick liiert, hat jedoch bald genug von seinen Ausbrüchen. Später verliebt sie sich in Antatoly, der zu den Amerikanern überläuft.

Quelle: Theater Bielefeld
Ehrlichgesagt ist die Handlung nicht ganz einfach wiederzugeben. Ich glaube auch nicht, dass ich selber jede Szene bis ins kleinste verstanden habe. 

Die Inszenierung:
Vielleicht macht einem das vorallem die Inszenierung zusätzlich schwer. Sowohl Bühnenbild, als auch Kostüme sind sehr eigenwillig. 
Die Kostüme der Hauptdarsteller haben mir sehr gut gefallen. Frederick Trumper in rot, Anatoly in weiß und Florence dazwischen in beiden Farben.

Quelle: Theater Bielefeld
Das Ensemble ist die meiste Zeit schwarz (Amerikaner) oder weiß (Russen) gekleidet. Da haben sich die Macher schon was bei gedacht. Doch viele weitere Kostümentscheidungen sind nicht nachvollziehbar. Warum zum Beispiel die Einwanderungsbehörde aus Kellnern mit pinken Leggins besteht, muss man wohl  nicht verstehen.
Besonders hart hat es den Arbiter (Schiedsrichter) Jens Janke getroffen, der in einem silbernen Raumfahrt-Kostüm mit Rauschebart und Küchensieben auf den Ohren in 5 Meter Höhe auf einer Schaukel über das Schachturnier wacht. Leider geht dadurch seine gute Gesangsleistung etwas unter.
Vieles an Kostümen und Kulisse ist sehr ins Extreme gezogen. Oft bewahrheitet sich der Satz, dass Weniger Mehr sein könnte.

Die Darsteller:
Es ist Schade wie sehr durch die übertriebene Inszenierung von den großartigen Darstellern abgelenkt wird. Denn die sind eindeutig das Herzstück des Musicals. Die Hauptrollen sind pefekt besetzt.

Quelle: Theater Bielefeld
Alex Melcher spielt den Frederick Trumper mit viel Energie und Ausdruck. Seine Arroganz, seine Ausbrüche, aber auch seine Verletzlichkeit kommen gut rüber. Mein Highlight ist der Song "Pity the Child" wo er Wut und Trauer eindrucksvoll auf die Bühne bringt und in seiner Zerrissenheit sein Hotelzimmer zerlegt, wie ein Rockstar.

Quelle: Theater Bielefeld
Auch Anatoly Sergievski wird von Veit Schäfermeier glaubhaft dargestellt. Mit wundervoll klarer Stimme rührt er mitunter zu Tränen. Das schönste Lied des Stückes "Anthems" kurz vor der Pause verpasst dem Publikum eine gehörige Gänsehaut. Zwar beginnt er mit Hamburger und Colabecher in der Hand, was wiederum etwas merkwürdig wirkt. Doch als er dann mit dem Lied loslegt und währenddessen nach und nach im Schneegestöber verschwindet, war es mal wieder um mich geschehen.

Außerdem beweist Veit wie kein anderer auch mal Humor, wenn etwas nicht so klappt. Bei einer romantischen Bettszene mit Florence klingelt das Telefon: Anatoly greift beherzt zum Telefonhörer und reißt dabei gleich die Telefonschnur mit aus der Verankerung. Wohin mit dem Kabel...? Kurze Unsicherheit... dann steckt er es grinsend in seine Boxershorts, während Roberta vor lachen ins Kissen beißen muss. Manchmal sind kleine Pannen unglaublich charmant!

Auch Roberta Valentini konnte in ihrer Rolle als Florence Vassey auf ganzer Linie überzeugen. Am Anfang -im Streit mit Frederick- fühlte ich mich kurzfristig an die grüne Oz-Hexe erinnert, aber schon bald merkt man wie sie ganz in der Rolle der Ungarin aufgeh. Von "Nobodys Side" und auch "I know him so well" hatte ich noch tagelang einen Ohrwurm.

Songs:
Viele der (sehr klassisch gesungenen) Chorsongs sind mir nicht so sehr im Gedächtnis geblieben und Karin Seyfried als Anatolys verlassene Ehefrau mochte ich gesanglich eher nicht so - ihr Gesang wirkte mal wieder sehr schrill.
Doch die oben genannten Lieder haben den Abend aber zu etwas Besonderen gemacht. "Nobodys Side", "Anthems" "Pity the Child" und "I know him so well" sind definitv Lieder, die ich noch häufiger hören werde. Der Chart-Hit "One Night in Bankok" hat mir von Alex gesungen - auch sehr gut gefallen.
Das Stück wurde mit deutschen Dialogen und englischen Songtexten gespielt. Das hat mir persönlich nichts ausgemacht. Es gab eine Übersetzungstafel am oberen Bühnerand, die man bei Bedarf zum Verständnis nutzen konnte. Ich weiß allerdings nicht, wie das ältere Publikum damit zurecht gekommen ist.

 Youtube-Kanal: TheaterTV2011

Fazit:
Das Stück hatte Längen und viele innovative Ideen waren mir eine Spur zu innovativ, doch alles in allem habe ich es nicht bereut es gesehen zu haben. 
Allein durch die grandiosen Hauptdarsteller und deren Soli und Duette bin ich voll auf meine Kosten gekommen.
Ich war insgesamt zweimal in Bielefeld. Beide Male war das Theater sehr gut besucht und das Publikum am Ende mit Abstrichen zufrieden. 
Ich denke, man hätte das Ganze besser umsetzen können. Durchweg empfehlen würde ich es nicht, aber wenn man bereit ist sich auf etwas neues einzulassen und gute Darsteller zu schätzen weiß, dann sollte man Chess in Bielefeld auf jedenfall eine Chance geben.

1 Kommentar:

  1. Ja, ich war auch sehr froh es gesehen zu haben. Es hatte viele Hightlights obwohl, wie oben beschrieben, es auch ein paar Fragezeichen gab. Aber Alles in Allem sehenswert!

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