Sonntag, 28. November 2010

Die letzten 5 Jahre, Hildesheim

Theaterplakat TfN
Bei Wikipedia steht, es wäre ein Kammermusical... Was ist denn ein Kammermusical?!??
Auf jedenfall zeigt dieses Stück wie vielschichtig das Genre "Musical" sein kann. Dies ist jedenfalls kein "herkömmliches Stück" und es ist sehr schwer zu sagen, was man nun davon halten soll.
Ich habe beschlossen, dass es mir sehr gut gefallen hat.
Aber jetzt der Reihe nach... Hä?! Ach ja, da war was... also:

Worum gehts:
Es geht um Jamie und Cathy, die sich kennenlernen - ineinander verlieben - heiraten - Beziehungsprobleme haben und sich nach 5 Jahren wieder trennen.
Klingt nicht soooo spannend, oder?! Das interessante an der Geschichte ist die Erzählweise. Denn es geht eben nicht der Reihe nach. Los geht es mit Cathy, die nach Hause kommt und Jamies Ehering und einen Brief, findet, indem er ihr mitteilt, dass die Ehe am Ende ist und er sich trennt. 
Danach tritt Jamie auf - in Cathys Nachthemd und ist verliebt wie am ersten Tag - äh - es ist der erste Tag. Er schwärmt von Cathy und könnte die ganze Welt umarmen...
Kurze Verwirrung, aber schnell wird klar: Während Cathy die Beziehungsgeschichte rückwärts erzählt, erzählt Jamie die selbe Geschichte vorwärts.
Nur in der Mitte treffen sich die Erzählstränge - nämlich bei der Hochzeit! Danach schreitet Jamie - nun mit Ring am Finger der Trennung entgegen, während Cathy immer weiter in die Vergangenheit zurückgeht bis sie am Ende nur im Nachhemd von Jamie träumt und schwämt, während er einen Trennungsbrief schreibt.... und so schließt sich am Ende ...oder Anfang(?) der Kreis.
Mir hat die Idee und die Umsetzung äußerst gut gefallen. Das Stück geht nur ungefähr 1,5 Stunden, was ich aber als passende Länge empfunden habe. Gut fand ich auch, dass es keine Pause gab, denn das hätte den A-ha Effekt kurz nach der Kreuzung der Erzählstränge unterbrochen. So blieb man in der Handlung drin und erkannte rasch viele Sachen wieder.

Die Darsteller
Jamie & Cathy tauschen Ringe :)
Die letzten 5 Jahre ist ein reines 2-Personenstück, wobei die Personen nichtmal wirklich miteinander agieren, da sie ja in "unterschiedlichen Zeiten" stecken. Das ist für die Darsteller natürlich eine ganz besondere Herausforderung und mehr noch. Sebastian Strehler und Wiebke Wötzel haben super gespielt und auch gut gesungen, auch wenn ich bei keinem von beiden den großen Wow-Effekt hatte. Aber trotzdem gut! 

Die Bühne
So ein Stück kann meiner Meinung nach nur auf einer ganz kleinen Bühne gespielt werden. Und so war es auch in Hildesheim. Die Bühne war keine richtige Bühne, sondern eine leichte Erhöhung von ca. 2 mal 2 Metern. Dahinter waren Baukästen gestapelt die "Schränke" darstellten und aus denen immer wieder neue Requisiten gezaubert wurden und dann nach Gebrauch wieder in deren Inneren verschwanden. Trotz der Einfachheit des Bühnenbildes konnte man der Geschichte prima folgen. Ich muss sagen, dass ich das alles großartig gelöst fand.
Außerdem wurde der Zuschauer (es war ein kleines, feines Publikum von sicher nicht mehr als 50 Leuten) in die Handlung einbezogen. In seiner überschwänglichen Verliebtheit ist Jamie zum Beispiel vor lauter "Weltumarmungsdrang" auf meinen Stuhl geklettert - ein Fuß auf der Sitzfläche, einen auf der Lehne und beim runterspringen kriegte ich auch noch einen Schmatzer auf die Wange.
Als sein Buch veröffentlicht wird köpft er eine Flasche Sekt und spritzt sie halb ins Publikum. Cathy wischt (viel Später in der Zukunft, aber einer relativ bald folgenden Szene) den Boden wieder sauber - und bittet die erste Reihe die Füße zu heben. Jamie signiert Bücher und verteilt sie im Publikum. Cathy stellt sich bei Auditions (sie ist Sängerin), neben den Pianisten.

Apropos: Dies ist die richtige Überleitung... zur Musik - Begleitet wurden die Darsteller nur von einem Pianisten, der seinen Flügel am Rande der Bühne aufgebaut hatte. Für diesen kleinen Rahmen passte das sehr gut und zur Art der Lieder passte es auch.
Die CD kannte ich schon vorher und hab immer mal wieder reingehört. Allerdings ist es definitiv keine CD um sie nebenbei zu hören. Wie soll ich es jetzt beschreiben.... ich sag mal - es ist ein Kammermusical... nee, quatsch - ich weiß ja gar nicht was das heißt. ICH hätte es jetzt als "gesungenes Theaterstück" bezeichnet. Denn anders als bei vielen "normalen" Musicals, ist die Musik von "Die letzten 5 Jahre" nicht Story-unterstützend oder begleitend. Hier sind die Lieder die Geschichte.
Auch musste ich mich ein bisschen reinfinden - die Lieder haben meiner Ansicht nach jetzt nicht so den Ohrwurmcharakter - aber ich glaube auch nicht, dass das gewollt ist.

Wer ein Musical im eigentlichen Sinne erwartet könnte enttäuscht werden. Aber wer es auch mal ein wenig abseits des Mainstreams mag, den erwartet eine ungewöhnlich erzählte Geschichte und je länger ich drüber nachdenke, desto mehr freue ich mich dieses Stück gesehen zu haben.




3 Kommentare:

  1. Ich finde du hast genau meine Meinung in Worte gefasst. Sehr schön. Toll beschrieben, nix zu meckern bzw. ich hätte es gar nicht in Worte fassen können :) War ein spezieller, aber sehr atmosphärisch schöner Abend. :)

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  2. Ist doch logisch, was ein Kammermusical ist. Abgeleitet wurde der Begriff von der Kammeroper. Ein Kammermusical ist ein Musical mit sehr wenigen Mitwirkenden (z.B. ein 2-Personsn-Musical wie "Die letzten fünf Jahre). Die musikalische Umsetzung erfolgt durch ein kleines Orchester, eine Band oder nur durch einen Pianisten. Bühne und Ausstattung sind dabei ebenfalls sehr minimalistisch. DAS ist ein Kammermusical. :-)

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  3. hey,
    vielen dank für die info - ich wußte es nicht, weil ich mich im bereich oper überhaupt nicht auskenne und auch sonst eher laie bin. ich hatte mir zwar sowas schon gedacht, aber nun ist es also bestätigt! :) jedenfalls mochte ich dieses "kammermusical" gern...
    lg

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