Freitag, 19. April 2013

Aida 2013, Nordhausen

Das Theater Nordhausen lockt seit Jahren mit gut inszenierten Stücken und tollen Darstellern. Der Wunsch dort mal irgendein Stück anzuschauen, war schon vor dem neuen Spielplan 2013 da. Als der dann bekanntgegeben wurde, konnte man meinen Jubelschrei bestimmt bis nach Thüringen hören. AIDA!!! Das ist für mich nicht „irgendein“ Stück, sondern eins meiner Lieblingsmusicals, auch wenn ich bisher verhältnismäßig wenig Gelegenheit hatte es zu sehen. Nach Tecklenburg 2009 wurde es nun wirklich mal wieder Zeit!!!


Zur Zeit der Pharaonen führt Ägypten Krieg gegen das Nachbarland Nubien. Auf einem Feldzug erbeutet der oberste Heerführer Radames nicht nur reichlich Beute, sondern bringt überdies viele Sklaven mit zurück nach Ägypten. Unter den Gefangenen befindet sich -unerkannt- auch Aida, die Tochter des nubischen Königs. Radames bewahrt sie vor der Arbeit in der Kupfergrube und schenkt sie stattdessen der Pharaonentochter Amneris, die er in Kürze heiraten soll. Er jedoch fühlt sich mehr und mehr zu Aida hingezogen, die ihrerseits zwischen ihrem Volk und ihm hin und her gerissen ist. Wer das Stück kennt, weiß dass es dramatisch ausgeht, alle anderen können es wohl ahnen.

Das Musical stammt aus der Feder von und Tim Rice und Elton John. Musikalisch ist die Marschrichtung also absehbar. Es in erster Linie ein Pop-Musical, das durch viele tolle Balladen, Duette, Gospelstücke und rockige Nummern besticht. (*)
 

Das Theater Nordhausen spielt das Stück mit den englischen Original-Liedern und deutschen Dialogen. Ich bin schon einige Male gefragt worden, ob das nicht seltsam oder störend ist.
Für mich persönlich ist dies die perfekte Mischung! Ich habe von Anfang an hauptsächlich die Broadway CD mit Heather Headley als Aida und Adam Pascal als Radames gehört und geliebt. 
Vielleicht bin ich kein Maßstab, denn ich bin ohnehin jeder bekannten und weniger bekannten Sprache gegenüber aufgeschlossen. Ich fahre nicht nur regelmäßig nach London um mir Stücke anzugucken, sondern auch nach Holland und würde z.B. französischen Stücken eine Chance geben, obwohl ich beide Sprachen nur in Ansätzen beherrsche. Beim Musical kommt es mir vor allem auf das richtige Gefühl an! Oft versteht das Herz eh mehr als der Verstand je begreift. Ich bin jedenfalls der Meinung, dass man offen für alles sein sollte.

Bei Aida wird es dem Zuschauer außerdem verhältnismäßig leicht gemacht. Von der Handlung wird sich aufgrund der deutschen Dialoge alles erschließen. Und bei den Songs hilft notfalls eine Übersetzung am die am oberen Bühnenrand eingeblendet wird.
Viele Zuschauer können sich auch nicht haben abschrecken lassen. Das Theater war komplett ausverkauft und ich weiß aus dem Bekanntenkreis, dass es sogar Wartelisten auf Karten gab und gibt. Auch für die nächsten Vorstellungen ist –bis auf Stehplätze- nichts mehr zu kriegen. Und ich geben dem Trend recht: Es lohnt sich wirklich!



Das Stück als solches ist ohnehin sehenswert, zudem ist das Theater Nordhausen seinem guten Ruf gerecht geworden und hat eine tolle Inszenierung mit überzeugender Besetzung auf der Bühne und im Orchestergraben auf die Beine gestellt.

Das Bühnenbild ist einfach, aber effektiv gestaltet. Häufig sieht man die Silhouette von Gebäuden im Hintergrund, ansonsten wird mit Raumteilern gearbeitet, so dass Szenenwechsel flüssig wirken und umbauten das Publikum nicht ablenken. 
Als besonders gut gelungen habe ich die Szene zu "Like Father, like Son" in Erinnerung behalten. Radames und sein Vater Zoser geraten aneinander und es kommt zum Bruch. Während ihres gesanglichen Schlagabtausches springen beide auf einen langen Tisch, der während des Liedes gedreht wird. Dies unterstreicht den Kampf den beide gegeneinander ausfechten.

Auch die Kostüme können lobend erwähnt werden - Bei den Perücken muss man leider Abstriche machen. Deshalb hat man Gut daran getan soweit es möglich war auf künstliche Haare zu verzichten Bei den Sklaven und Ägyptern hat man mit Kopftüchern oder zusätzlichem Kopfschmuck gearbeitet, so dass insgesamt ein harmonisches Bild erzielt wird. Das ist besonders wichtig, weil das Ensemble nicht unbedingt "typisch nubisch" aussieht, sondern sehr gemischter ethnischer Herkunft ist.

Das liegt daran, dass – wie in den meisten Stadttheatern – nur die Hauptrollen gecastet werden, während das Ensemble und das Orchester des Hauses spielt. Das hat natürlich den Vorteil, dass die Produktionskosten nicht unnötig in die Höhe getrieben werden. Außerdem sind Ensemble und Orchester gut aufeinander eingestimmt. Apropos Orchester... Derzeit häuft sich die Kritik daran, dass bei großen Ensuit-Produktionen die Orchester immer mehr zusammengeschrumpft werden. Was dabei verloren geht, wird mehr als deutlich, wenn man -wie hier- hört und sieht wie es mit einem großen, sehr guten Orchester sein kann. Von meinem Platz aus hatte ich einen guten Blick in den Orchestergraben und es war eine Freude zu sehen, dass Musik noch echte Handarbeit sein kann. Besonders der Percussionist zog des öfteren meine Blicke auf sich. Für jeden noch so kleinen Ton holte er ein neues Instrument hervor. Von Zimbeln über Triangeln (nie wieder werde ich behaupten, Triangel sei ein leicht zu spielendes Instrument) zu Schellenkränzen und Trommeln. Musik ist Kunst und das was die Herren und Damen dort spielten lässt sich nicht am Keyboard samplen. Man hört den Unterschied.

Das Ensemble hat mich vor allem tänzerisch überzeugt. In Szenen wie "Another Pyramid" oder dem Manteltanz wirkte die Choreographie ebenso harmonisch wie mitreissend. Es soll aber auch nicht verschwiegen werden, dass die klassisch ausgebildeten Nebendarsteller und Chormitglieder eher im Bereich Oper/Operette Zuhause sind. So klingen die Chorstücke zum Teil ungewohnt klassisch und auch Mereb und Nehebka (Marian Kalus und Anja Daniela Wagner) wirkten zwischen den Musicaldarstellern stimmlich stellenweise etwas fehl am Platz. Beide haben gut ausgebildete Stimmen, die aber - weil sie eher nach Oper klingen - nicht so recht in ein Popmusical passen wollen. Doch da beide Darsteller nur relativ wenig Gesangsanteil haben und darstellerisch ihren Rollen durchaus gerecht werden, kann man an dieser Stelle ruhig Fünfe gerade sein lassen. Zumal die zubesetzten Hauptrollen nichts zu Wünschen übrig lassen:
 

Aida wird von Nyassa Alberta verkörpert.  Meine Vorab-Recherche hat ergeben, dass die Holländerin bei Sister Act unter anderem die Deloris spielt. Ich selber habe sie aber vorher noch nicht gesehen und war entsprechend gespannt.



Ich wurde nicht enttäuscht. Nyassa Alberta ist eine wundervolle Aida. Sie hat eine tolle, volle, soulige Stimme und kommt sowohl kämpferisch als auch verletzlich rüber.

Femke Soetenga hat schon häufiger in Nordhausen auf der Bühne gestanden und ist in meiner Musical-Welt alles andere als eine Unbekannte. Ob als Milady in den drei Musketieren, als Maria Magdalena in Jesus Christ Superstar oder als Mina in Dracula. Femke kommt, singt und siegt - wie eigentlich immer! 


Ich mag mich auch nicht immer wiederholen - ihr wisst schon, dass ich Femke sehr gerne höre und sehe und als Amneris hat sie mir auch wieder gefallen. Ihre Rolle ist eher an Willemijn Verkaiks Version der Pharaonentochter angelehnt, wie sie in Tecklenburg angelegt wurde (Mit waschechtem Wusch-wusch für alle Wicked Freunde).

Auch im Bezug auf Radames fühlte ich mich stark an die Tecklenburg Version erinnert (Und das nicht nur, weil Patrick Stanke erneut in die Rolle des obersten Feldherren schlüpft). Wie schon in der Freilichtbühnenfassung ist nicht von Anfang an klar, dass Radames Zosers Sohn ist. Stattdessen hat auch der Nordhäuser Radames seine Kindheit im Hurenhaus von Buto verbracht. Schon 2009 habe ich mich gefragt, ob diese Änderung irgendeinen Sinn hat oder die Geschichte weiter bringt. Ich bin zu keinem Ergebnis gekommen. Es stört mich jedenfalls nicht.




Patrick selber spielt routiniert - Es ist ja nach Essen und Tecklenburg schon das dritte Mal, dass er diese Rolle verkörpert. (Nein, ich sag jetzt nichts zum halbierten Körper). Ob deutsch oder englisch - Herr Stanke hats noch drauf.

Auch Kristian Vetter schlüpft als Zoser in eine vertraute Rolle. Er war bereits in Essen der intregante, machthungrige Strippenzieher und hatte wieder sichtlich Spaß an der Rolle des Bösewichts. Er hat eine wunderbar kraftvolle Rockstimme, die besonders bei "Like Father, Like Son" toll zur Geltung kommt.

Und auch das Publikum war begeistert. Ich habe mir zwei Vorstellungen angesehen -wenn man schon mal da ist- und beide Male ein vollbesetztes Theater und begeisterten Zwischen und Schlussapplaus erlebt. Ob jung oder alt, auch in der Pause hörte man durchweg positives Feedback. Die Auslastung des Theaters unterstreicht dies. Auch für die Vorstellungen nach der Sommerpause herrscht rege Nachfrage.

Wer die Musik und das Stück mag, wird von der Nordhausener (Nordhäuser?) Inszenierung begeistert sein. Die Ticketpreise liegen für die teuerste Kategorie bei ca. 25 €. Besser kann man für diesen Preis gar nicht unterhalten werden. Ich bin, seit es dieses Stück gibt, ein großer Fan der Geschichte. Für mich ist es eine wundervolle Mischung aus Romantik, Spaß und Drama. Deshalb kann ich es nur jedem wärmstens ans Herz legen.







(*) Vor Veröffentlichung des Musicals hat Elton John bereits 1999 ein sogenanntes Konzeptalbum herausgebracht, auf dem verschiedene international bekannte Künstler (Tina Turner, Lenny Kravitz, Janet Jackson u.a.)  Lieder aus dem Musical interpretieren. Am bekanntesten dürfte wohl die Version von „Written in the Stars“ (Sind die Sterne gegen uns) von Elton John und Lee-Ann Rimes, sowie „My strongest Suit“ (Mein Sinn für Stil) von den Spice Girls sein, da beide Songs auch als Singles ausgekoppelt worden sind und im Radio liefen.





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen