Samstag, 6. Oktober 2012

Dirty Dancing, Oberhausen

Ich glaube, ich habe den Film mit 12 zum ersten Mal gesehen. Meine Güte, was war ich in die Musik, die Tanzszenen, die Geschichte und ein kleines bisschen natürlich auch in Patrick Swayze verknallt.  Ein richtiges Mädchen halt! Heute hat der Film Kultstatus und auch wenn man sich der Schwächen als Erwachsene mittlerweile durchaus bewusst ist, kann man sich aus nostalgischen Gründen durch das Einlegen der DVD innerhalb kürzester Zeit wieder gut zwei Jahrzehnte jünger zu machen.


Ich weiß noch, dass ich mir damals wünschte "mitten drin" zu sein. Eigentlich also eine gute Idee den Lieblingsfilm aller kleinen und großen Mädchen auf die Bühne zu bringen. Tolle Musik, Tanzszenen... die große Liebe... Eigentlich ist der Stoff wie gemacht für das Musicaltheater.

"Es war der Sommer '63. Alle nannten mich "Baby". Irgendwie hat mir das gefallen. Es war bevor Präsident Kennedy ermordert wurde, bevor es die Beatles gab und als ich nicht abwarten konnte der Friedensbewegung anzugehören. Das war der Sommer, als ich dachte, dass ich nie einen Jungen finden würde, der so toll ist wie mein Dad. Es war der Sommer, den wir bei Kellermans verbrachten."

So beginnt der Film und ich könnte ihn endlos weiter zitieren, weil ich ihn anscheinend tatsächlich auswendig kenne.
Trotzdem bin ich weder direkt nach Hamburg gefahren noch nach Berlin oder London. Und meine Begeisterung, als das Stück nach Oberhausen kommen sollt hielt sich ebenfalls in Grenzen. Warum? Wo ich doch anscheinend "nicht nur schlichtes Wasser in den Adern" habe? Vielleicht grade deshalb!
Jeder Ausschnitt, den ich bei Galas oder in Fernsehsendungen gesehen hatte hielt mich davon ab.
Und doch ließ mich die Neugier nicht so ganz vom Haken und Jahre nach der Premiere nutzte ich dann doch die (so ziemlich) letzte Gelegenheit und den letzten Samstag Abend vor der Derniere, um mir das Stück doch noch anzusehen.

Gott sei dank ging ich mich sehr geringen Erwartungen ins Metronom. Ja, es ist kein richtiges Musical - die Hauptdarsteller singen nicht, es kommt viel vom Band oder wird von Solisten neben der Bühne gesungen. Das Stück ist eher Dialoglastig und es wurden sehr viele Änderungen vorgenommen.

Vielleicht gehöre ich (zumindest in diesem speziellen Fall) zu den Menschen, die mit diesen Abwandlungen nicht gut umgehen können. Für mich stellte sich während des Stücks einfach kein "Dirty-Dancing-Gefühl" ein.

Das hatte verschiedene Gründe! Allen voran: Nicht eine Textzeile wurde aus dem Film übernommen. Alles wurde leicht oder sehr drastisch abgeändert.
Auch bei den Nebenhandlungen hat man "neue" Szenen reingebracht, die -meiner Meinung nach- dort nichts zu suchen hatten. Da war zum Beispiel die Kennenlern-Geschichte der Eltern, Billy auf der Suche nach einer Freundin, Neil auf dem Weg zum Protest gegen Rassentrennung. Löblich, aber unnötig! Wenn schon Dirty Dancing, dann auch bitte so wie man es kennt... Mag jeder anders empfinden - Bei der Vermusicalung dieses Filmes wollte ich "dass alles so ist wie immer".

Hinzu kam, dass mich leider auch die Darsteller nur zum Teil überzeugen konnten.
Dániel Rákasz als Johnny Castle war leider überhaupt nicht mein Fall.
Katja Hentschel und Steffen Laube als Babys Eltern spielten fürchterlich aufgesetzt und überzogen, so dass mir beide in diesen Rollen auch nur wenig sympathisch waren.
Richtig toll hingegen haben mir Baby alias Verena Raab und Johanna Spantzel als Lisa gefallen.
Die zwei haben viel für mich rausgeholt. Verena wirkte sehr "Baby"-like und man hätte sich fast der Illusion hingeben können Jennifer Grey auf der Bühne zu sehen. Katja spielte ihr Talent für Komik voll aus und so wurde ihr Hula-Hana Song, den sie herrlich schräg interpretierte zu meinem heimlichen Highlight des Abends.
Penny wurde von Marie-Luisa Kasta gespielt. Eine tolle Tänzerin und als Schauspielerin solide.
Als Neil stand Matthias Bollwerk auf der Bühne. Grundsätzlich mag ich ihn als Darsteller sehr gerne. Leider hatte seine Rolle absolut nichts mit dem Neil zu tun, den man aus dem Film kennt. Das scheint so gewollt zu sein - mir hat der schleimige Sohn der Geschäftsleitung irgendwie gefehlt.

Ich höre mich an wie ein quängelndes Kind, ich weiß! Aber ich habe mich wirklich (leider) an vielen Punkten gestört. Trotzdem waren auch tolle Momente dabei. Zum Beispiel hat mir die Kulisse gut gefallen und ich mochte es wie viele Szenen umgesetzt wurden. Da war unter anderem die Szene in der Baby und Johnny die Hebefigur im Wasser üben. Der Effekt mit der Leinwand und dem darauf projezierten See war sehr wirkungsvoll. Auch sonst haben die Bühnenbildner ganze Arbeit geleistet.
Die Tanzszenen waren sehr stark. An diesen Stellen lohnt es sich natürlich schon live im Theater zu sitzen. Vorallem auch, weil das (überraschend zahlreiche) Publikum recht begeistert darauf reagiert hat.

Trotzdem würde ich die DVD dem Musical jederzeit vorziehen - insbesondere wenn man bedenkt, dass die DVD im Vergleich zum Musical natürlich nur einen Bruchteil kostet.

Der Film wird immer zu meinen Lieblingen gehören. Wenn ihr mal Zeit habt: Vergleicht die deutsche Übersetzung mit dem englischen Original und ihr werdet feststellen, dass die Damen und Herren Übersetzer anscheinend einen Clown gefrühstückt hatten. Teilweise eine sehr freie Interpretation des englischen Textes, aber auf unvergleichliche 80er Jahre Art mittlerweile einfach nur Kult und saukomisch.
Vielleicht hat man sich beim Libretto des Musicals an dem englischen Originaltext orientiert. Das könnte es möglicherweise erklären... Ist aber wirklich zu schade, weil man sozusagen keinen (Textbau)stein auf dem anderen gelassen hat.

Aber so konnte ich mir während langatmiger Szenen die Zeit damit vertreiben, innerlich die Dialoge zu korrigieren.

Insgesamt war es für mich ein eher "durchwachsenes" Theatererlebnis. Kein typisches Musical, aber das muss es für mich auch nicht unbedingt sein. Ich habe zum Beispiel "Backbeat" in London gesehen, das auch eher ein Theaterstück mit Livemusik war, und war begeistert. Trotzdem wollte der Funke bei Dirty Dancing nicht so recht überspringen. Aber seis drum. Ich hab es nun gesehen und trotz aller Kritik, habe ich auch positive Momente mitgenommen. Nicht viele, aber doch ein paar. Nochmal gucken würde ich es allerdings wohl nicht.


1 Kommentar:

  1. "Trotzdem würde ich die DVD dem Musical jederzeit vorziehen - insbesondere wenn man bedenkt, dass die DVD im Vergleich zum Musical natürlich nur einen Bruchteil kostet."

    Ja, aber hallo! Immer und immer wieder würde ich ohne zu Zögern den Film wählen. Deinen Eindrücken kann ich 110 Prozent beipflichten. Nicht nur haben mich die teilweise abenteuerlich abweichenden Dialoge abgeschreckt, sondern auch diese furchtbar aufgesetzt wirkende Schauspielerei, die fast schon wie Parodie wirkte... Ich bin froh, es einmal gesehen zu haben - aber einmal reicht da auch völlig. ;-)

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